Jens-Martin Gutsche
Forum Öffentliche Finanzen, Bd. 9
Die Wahl von Standorten für neue Wohngebiete hat einen erheblichen Einfluss auf die von seinen zukünftigen Bewohnern täglich mit dem Auto zurückgelegten Entfernungen. Bei kommunalen Entscheidungen über die Ausweisung von Neubauflächen spielen jedoch fiskalische Überlegungen eine bedeutend größere Rolle als Fragen einer möglichst verkehrseffizienten Siedlungsentwicklung. Nicht zuletzt auf- grund der angespannten Haushaltslage vieler Kommunen wird mit der Ausweisung neuer Wohngebiete die Hoffnung auf Beiträge zur Haushalts- konsolidierung verbunden. Es ist daher zu befürchten, dass die Anreizsignale des kommunalen Finanzsystems die Kommunen zu einer Flächenpolitik mit hohen Verkehrsfolgen animieren. Die Studie zeigt dazu in empirischen Untersuchungen,
- in welch erheblichen Maße die Lage eines Neubaugebiets den pro Einwohner erzeugten Autoverkehr beeinflusst,
- wie stark der fiskalische Ertrag neuer Wohngebiete durch viele Kommunen - insbesondere im Umland - überschätzt wird und
- welche verkehrlichen und siedlungsstrukturellen Wirkungen das kommunale Finanzsystem durch die von ihm ausgesandten Handlungsanreize entfaltet.
Als zentrales Ergebnis ergibt sich, dass das kommunale Finanzsystem den Zielsetzungen einer verkehrs- und ressourcensparenden Siedlungs- entwicklung zwar nicht diametral widerspricht, von ihm jedoch nahezu keine unterstützende Lenkungswirkung ausgeht. Zudem sind die Zusammen- hänge so komplex, dass kommunale Entscheider die fiskalischen Wirkungen ihrer Planungsentscheidungen oft kaum vorhersagen können. Während neue Wohngebiete in der kreisfreien Kernstadt fiskalisch sehr rentabel sind, sind sie im kreisangehörigen Umland in den meisten Fällen als fiskalisch neutral zu bewerten.